22.11.2019 12:00
Neuer Cochrane Review zur HPV-Impfung vergleicht verschiedene Impfstoffe und Impfschemata
Ein neuer Cochrane Review liefert Informationen über Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen verschiedener Impfstoffe gegen Humane Papillomaviren (HPV) und HPV-Impfstoffpläne bei jungen Frauen und Männern. Er basiert auf 20 randomisierten, kontrollierten Studien mit insgesamt mehr als 30.000 Teilnehmern.
Hinweis: Es handelt sich hier NICHT um ein Update des umstrittenen Reviews aus dem Jahr 2018, in dem es um das grundlegende Nutzen-/Risikoprofil der HPV-Impfung ging. Vielmehr ist die aktuelle Arbeit ein davon unabhängiger Review, der 2016 von der WHO bei Cochrane in Auftrag gegeben wurde und primär offene Fragen zum Vergleich verschiedener Impfstoffe und Impfzeitpläne klären sollte.
Hintergrund
HPV ist die weltweit häufigste virale Infektion der Fortpflanzungsorgane bei Frauen und Männern (WHO 2017). Die meisten sexuell aktiven Menschen sind irgendwann in ihrem Leben HPV ausgesetzt. In den meisten Fällen beseitigt ihr eigenes Immunsystem die HPV-Infektion von allein.
Wenn das Immunsystem das Virus jedoch nicht erfolgreich abwehrt, können HPV-Infektionen jedoch lange unbemerkt anhalten. Eine anhaltende Infektion mit einigen “hochriskanten” HPV-Stämmen kann zur Entstehung von Krebs führen. Hochrisiko-Stämme von HPV verursachen fast alle Krebsarten des Gebärmutterhalses und des Anus, und bestimmte Krebsarten von Vagina, Vulva, Penis, sowie an Kopf und Hals. Andere “risikoarme” HPV-Stämme verursachen unangenehme Genitalwarzen, aber keinen Krebs. Die Entstehung von Krebs durch HPV verläuft in der Regel über viele Jahre hinweg über eine Reihe von Krebsvorstufen, die man intraepitheliale Neoplasien nennt. Am Muttermund (Gebärmutterhals) werden diese Veränderungen als zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN) bezeichnet. Hochwertige CIN-Veränderungen haben eine Chance von 1 zu 3, sich in Gebärmutterhalskrebs zu entwickeln, aber viele CIN-Läsionen entwickeln sich zurück und bleiben harmlos. HPV-bedingte Krebsarten machten 2012 schätzungsweise 4,5% der weltweiten Krebsfälle aus (de Martel 2017).
Ziel der Impfung ist es, eine zukünftige HPV-Infektion und die durch Hochrisiko-Stämme von HPV verursachten Krebsarten zu verhindern. HPV-Impfstoffe richten sich hauptsächlich an heranwachsende Mädchen, da Gebärmutterhalskrebs der häufigste HPV-assoziierte Krebs ist. Für die Prävention von Gebärmutterhalskrebs empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, Mädchen im Alter von 9-14 Jahren mit HPV-Impfstoff zu impfen, wobei zwei Dosen in einem Abstand von 6 Monaten als effektivste Strategie gilt. Ein Drei-Dosis-Plan wird für ältere Mädchen im Alter ab 15 Jahren oder für Menschen mit einer Infektion mit HIV oder anderen Ursachen einer Immundefizienz empfohlen (WHO 2017).
Derzeit kommen drei HPV-Impfstoffe zum Einsatz: ein bivalenter Impfstoff, der auf die beiden häufigsten Hochrisiko-HPV-Typen ausgerichtet ist; ein Vierfach-Impfstoff, der gegen vier HPV-Typen ausgerichtet ist, und ein Neunfach-Impfstoff Impfstoff gegen neun verschiedene HPV-Typen. Für die bivalenten und vierwertigen Impfstoffe ergab ein früherer Cochrane Review eine Schutzwirkung gegen Gebärmutterhalskrebs, der durch die im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen verursacht wird, wenn die Impfstoffe vor einer natürlichen Infektion mit HPV verabreicht werden (Arbyn 2018).
Dieser Cochrane Review fasst die Ergebnisse von 20 randomisierten kontrollierten Studien mit 31.940 Teilnehmern aus aller Welt zusammen. In den meisten Studien war der berichtete Endpunkt, also das relevante Studienergebnis, die Produktion von HPV-Antikörpern durch das Immunsystem des Impfstoffempfängers. Solche HPV-Antikörperreaktionen erlauben eine gute Vorhersage für den Schutz vor HPV-bedingten Krankheiten und Krebsarten, welche die Impfstoffe verhindern sollen. Die Antikörperreaktion wird in HPV-Impfstoffstudien oft als indirekter Endpunkt eingesetzt, da es viele Jahre dauert, bis sich nach der HPV-Infektion eine Krebsvorstufe entwickelt. Das macht es für Studien schwierig, den Teilnehmern über ausreichend lange Zeiträume zu folgen. Zudem wurden die Studienteilnehmer auf HPV-Infektion getestet und ihnen eine Behandlung angeboten, wenn dabei eine HPV-bedingte Präkanzerose entdeckt wurde. Eine Weiterentwicklung zu Gebärmutterhalskrebs wäre in dieser Gruppe auch ohne Impfung sehr unwahrscheinlich, weshalb Krebsfälle als direkter Endpunkt in solchen Studien kaum geeignet sind.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Ergebnisse des Reviews
Vier Studien verglichen einen Zwei-Dosis-Impfplan mit einem Drei-Dosis-Plan bei 2.317 heranwachsenden Mädchen und drei Studien verglichen unterschiedliche Zeitintervalle zwischen den ersten beiden Impfstoffdosen bei 2.349 Mädchen und Jungen. Die Antikörperreaktionen waren ähnlich nach zwei- und dreifachen HPV-Impfplänen bei Mädchen. Die Antikörperreaktionen bei Mädchen und Jungen waren stärker, wenn der zeitliche Abstand zwischen den ersten beiden Dosen des HPV-Impfstoffs länger war.
Es gab Belege aus einer Studie mit 16- bis 26-jährigen Männern, dass der vierwertige HPV-Impfstoff die Inzidenz von äußeren Genitalläsionen und Genitalwarzen reduziert, verglichen mit einer Gruppe, die den HPV-Impfstoff nicht erhielt.
Eine Studie mit 16- bis 26-jährigen Frauen, welche die Neun- und Vierfach-Impfstoffe verglich, ergab, dass beide ein ähnliches Maß an Schutz vor präkanzerösen Läsionen an Gebärmutterhals, Vulva und Vagina bieten.
Sieben Studien lieferten Evidenz über HPV-Impfstoffe bei Menschen, die mit HIV leben. Die HPV-Antikörperreaktionen bei Kindern mit HIV-Infektion waren nach der Impfung mit einem bivalenten oder vierwertigen Impfstoff höher als bei einem Neunfach-Impfstoff gegen HPV. Diese Antikörperreaktionen gegen HPV konnten bis zu zwei Jahre aufrechterhalten werden. Der Nachweis über klinische Ergebnisse und Nebenwirkungen für HPV-Impfstoffe bei Menschen mit HIV war sehr begrenzt.
Die Evidenz deutete darauf hin, dass bis zu 90 Prozent der Männer und Frauen, die einen HPV-Impfstoff erhielten, geringfügige lokale Nebenwirkungen wie Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Injektionsstelle erlebten. Aufgrund der niedrigen Raten schwerwiegender Nebenwirkungen in den Gruppen mit Vier- und Neunfach-Impfstoffen und wegen der breiten Definition dieser Ereignisse, die in den Studien verwendet wurden, können wir die Sicherheit der verschiedenen Impfschemata nicht wirklich vergleichen.
Dr. Jo Morrison, die leitende Redakteurin dieses Reviews und Fachärztin für gynäkologische Onkologie am Musgrove Park Hospital in Somerset, Großbritannien, sagte: “Wir brauchen langfristige Studien auf Bevölkerungsebene, um Daten über die Auswirkungen von Dosierungsintervallen, Zeitplänen und Impfstoffen auf HPV-bedingte Krebsarten erhalten und uns ein vollständigeres Bild von seltenen Schäden zu machen. Mit dem Wissen, dass weniger Impfdosen eine ähnliche Antikörperreaktion erzeugen und dank umfangreicherer Evidenz von Impfstoffstudien mit Jungen, sind die politischen Entscheidungsträger nun besser in der Lage lokale Impfprogramme zu gestalten. Es wäre interessant zu sehen, wie unterschiedliche Zeitpläne und Impfstoffe die Impfabdeckung der Bevölkerung beeinflussen, aber dieser Review und die darin enthaltenen Studien waren nicht darauf ausgerichtet, diese Frage zu beantworten.”
Referenzen
WHO 2017
World Health Organization. Human papillomavirus vaccines: WHO position paper, May 2017. Weekly
Epidemiological Record 2017;92:241–68.
de Martel 2017
de Martel C, Plummer M, Vignat J, Franceschi S. Worldwide burden of cancer attributable to HPV by site,
country and HPV type. International Journal of Cancer 2017;141(4):664–70.
Arbyn 2018
Arbyn M, Xu L, Simoens C, Martin-Hirsch PP. Prophylactic vaccination against human papillomaviruses to prevent cervical cancer and its precursors. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 5. DOI: 10.1002/14651858.CD009069.pub3
Ein pdf des Reviews ist auf Anfrage bei Cochrane Deutschland erhältlich, Email an: rueschemeyer@cochrane.de
Originalpublikation:
Bergman H, Buckley BS, Villanueva G, Petkovic J, Garritty C, Lutje V, Riveros-Balta AX, Low N, Henschke N. Comparison of different human papillomavirus (HPV) vaccine types and dose schedules for prevention of HPV-related disease in females and males.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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