Parkinson: Nerven magnetisch die Wachstumsrichtung zeigen



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18.01.2021 09:38

Parkinson: Nerven magnetisch die Wachstumsrichtung zeigen

Ein Grund, warum sich Nervenschäden im Gehirn nicht gut regenerieren lassen, ist, dass die Nervenfortsätze nicht wissen, in welche Richtung sie wachsen sollen. Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB), der Sorbonne Université Paris und der Technischen Universität Braunschweig arbeitet daran, ihnen nun die Richtung mithilfe von magnetischen Nanopartikeln zeigen. Das Team um Prof. Dr. Rolf Heumann, Senior Researcher, Molekulare Neurobiochemie an der RUB, hofft, langfristig damit die Auswirkungen von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson lindern zu können. Die Ergebnisse der Arbeit wurden am 31. Dezember 2020 in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Nervenfortsätze kennen den Weg nicht

Die Wiederherstellung von Gehirnfunktionen nach einer Verletzung oder bei neurodegenerativen Krankheiten ist bis heute ein ungelöstes Problem der Neurowissenschaften und der Medizin. Die Regeneration im zentralen Nervensystem ist nur sehr begrenzt möglich, da der regenerierende Nervenfortsatz, das Axon, dabei auf Proteine stößt, die wachstumsblockierende Eigenschaften haben. „Außerdem weiß das regenerierende Axon anfangs nicht, in welche Richtung es wachsen muss, um das denervierte Zielgewebe zu erreichen und funktionell zu verschalten“, erklärt Rolf Heumann.

Signalweg lässt Nervenfasern wachsen

Das Bochumer Team konnte schon früher zeigen, dass die Aktivierung eines zentralen Signalwegs innerhalb von Nervenzellen, der durch membrangebundenes Ras-Protein ausgelöst wird, die Zellen einerseits vor Degeneration schützt und andererseits ein massives Faserwachstum bewirkt. Die Richtung dieses Faserwachstums wollten die Forschenden im aktuellen Projekt steuern. Dazu nutzten sie magnetische Nanopartikel, die sie in das Innere von Modell-Nervenzellen einschleusten. Die Aktivierung des Ras-Signalwegs lösten sie durch dauerhaft aktives Ras-Protein oder durch ein Ras-regulierendes Schalterprotein aus.

Nanopartikel mit Nadeln steuern

„Zunächst zeigten wir, dass wir durch magnetische Spitzen die eisenhaltigen Nanopartikel in der Zellflüssigkeit der Nervenzellen gezielt bewegen konnten“, beschreibt Fabian Raudzus. Der Gruppe ist es danach auch gelungen, das veränderte Schalterprotein für Ras im Inneren der Zelle an die Nanopartikel zu koppeln und magnetisch an die Zellmembran zu transportieren. Die so funktionalisierten Nanopartikel konnten die Forscherinnen und Forscher in den Nervenfortsatz einschleusen und an dessen Spitze anhäufen, wo die Wachstumsrichtung bestimmt wird. Die Kopplung zwischen Nanopartikel und Ras-Schalterprotein wurde durch Lichtstreuungsmessungen und andere mikroskopische Verfahren wie Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie nachgewiesen.

In der magnetischen Steuerung der funktionalisierten Nanopartikel in Nervenfasern sieht das Forschungsteam therapeutisches Potenzial: „Zur Behandlung der Parkinson-Krankheit etwa, bei der bestimmte dopaminerge Nervenzellen absterben, hat der japanische Forscher Prof. Dr. Jun Takahashi erst kürzlich die Transplantation von maßgeschneiderten Nervenzellen etabliert“, erläutert Heumann. „Langfristiges Ziel unserer Studie ist es, die Regeneration von transplantierten dopaminergen Nervenzellen durch funktionalisierte magnetische Nanopartikel im Gehirn zu fördern.“

Mehrere Millionen Nervenzellen versorgen

Dazu müssten die Nanopartikel in mehrere Millionen Nervenzellen eingebracht werden. In Modellzellen konnte das Team zeigen, dass mittels einer einfachen, auf mechanischem Druck basierten Methode, große Zellpopulationen gleichzeitig mit diesen magnetischen Nanopartikeln beladen wurden. Dadurch wurde die Induktion des Wachstums von Nervenfasern nicht gestört.

„Obwohl wir noch weit von einer klinischen Anwendung entfernt sind, hoffen wir mit unseren Experimenten einen ersten Schritt zur Unterstützung der Regeneration von transplantierten dopaminergen Nervenzellen bei der Behandlung von Parkinson beitragen zu können“, so Rolf Heumann.

Förderung

Die Arbeiten wurden von der Europäischen Union im Rahmen des Projekts Magneuron (Grant Agreement Number 686841) sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (INST 213/886-1 FUGG) gefördert.

Originalveröffentlichung

Fabian Raudzus, Hendrik Schöneborn, Sebastian Neumann, Emilie Secret, Aude Michel, Jérome Fresnais, Oliver Brylski, Christine Ménager, Jean Michel Siaugue, Rolf Heumann: Magnetic spatiotemporal control of SOS1 coupled nanoparticles for guided neurite growth in dopaminergic single cells, in: Scientific Reports, 2020, DOI: 10.1038/s41598-020-80253-w, https://www.nature.com/articles/s41598-020-80253-w

Pressekontakt

Prof. Dr. Rolf Heumann
Molekulare Neurobiochemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28230
E-Mail: rolf.heumann@rub.de


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Rolf Heumann
Molekulare Neurobiochemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28230
E-Mail: rolf.heumann@rub.de


Originalpublikation:

Fabian Raudzus, Hendrik Schöneborn, Sebastian Neumann, Emilie Secret, Aude Michel, Jérome Fresnais, Oliver Brylski, Christine Ménager, Jean Michel Siaugue, Rolf Heumann: Magnetic spatiotemporal control of SOS1 coupled nanoparticles for guided neurite growth in dopaminergic single cells, in: Scientific Reports, 2020, DOI: 10.1038/s41598-020-80253-w, https://www.nature.com/articles/s41598-020-80253-w


Weitere Informationen:

https://www.nature.com/articles/s41598-020-80253-w – Originalpaper


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW