Seltene Mutation ist mögliches Angriffsziel für Krebsmedikament



Teilen: 

01.09.2023 20:00

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Seltene Mutation ist mögliches Angriffsziel für Krebsmedikament

Mutationen im BRAF-Gen machen Tumoren oft besonders aggressiv. Seit einigen Jahren sind Medikamente zugelassen, die das mutierte BRAF blockieren. Sie richten sich allerdings nur gegen eine bestimmte, häufige Form der BRAF-Mutationen. Ein Forscherteam unter der Federführung von Wissenschaftlern im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Standort Freiburg, und von der Universität Freiburg analysierte nun die Empfindlichkeit seltener Varianten der BRAF-Mutationen auf diese Medikamente. Die Forschenden konnten die molekularen Hintergründe für die Wirksamkeit der BRAF-Hemmstoffe entschlüsseln und damit möglicherweise die Entwicklung präziserer Wirkstoffe anstoßen.

Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.

Bei etwa acht Prozent aller Krebsfälle liegen Mutationen in dem Gen vor, das für das Enzym BRAF kodiert. BRAF-Mutationen fördern die unkontrollierte Teilung und Ausbreitung der Krebszellen. Sie werden häufig u. a. in Melanomen, bestimmten Hirntumoren und Schilddrüsenkarzinomen gefunden. Seltener treten sie auch in verbreiteten Krebsarten wie Dickdarmkrebs, nicht-kleinzelligem Lungenkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs auf.

Die Aktivität von Proteinkinasen, zu denen auch BRAF gehört, kann durch Medikamente aus der Gruppe der Kinase-Inhibitoren unterdrückt werden. Diese Wirkstoffe zielen speziell darauf ab, die häufigste krebstreibende BRAF-Mutation, BRAFV600E, abzuschalten.

Nachdem Krebsgewebe zunehmend auf BRAF-Mutationen getestet werden, entdeckten Forschende, dass neben der bekannten bekannten V600-Mutation ein breites Spektrum weiterer Veränderungen des BRAF-Gens in den Tumorzellen vorkommt. „Bislang ist jedoch wenig darüber bekannt, ob die ursprünglich für BRAFV600E entwickelten Kinase-Inhibitoren auch bei Krebsarten mit anderen BRAF-Mutationen wirksam sind,“ sagt Tilman Brummer, DKTK Freiburg und Universität Freiburg, der Seniorautor der aktuellen Arbeit, die in enger Zusammenarbeit mit den DKTK-Standorten Dresden, Heidelberg und Tübingen entstanden ist.

Zu diesem Spektrum an Mutationen zählen auch Verluste einiger Aminosäuren in einem für die Funktion von BRAF kritischen Teil des Enzyms. Solche „Deletions-Mutationen“ finden sich in vielen Krebsarten, besonders bei bestimmten Formen von Bauchspeicheldrüsenkrebs. „In der molekularbiologischen Standard-Diagnostik werden diese Bereiche von BRAF nicht erfasst, wodurch diese Mutationen bei den fünf bis 10 Prozent von Pankreas-Tumoren ohne KRAS-Mutationen vermutlich übersehen werden. Bei den umfangreichen molekularen Analysen von Tumorbiopsien, wie wir sie im DKTK MASTER-Programm* durchführen, um klinische Entscheidungen auf einer umfassenden molekularen Informationsbasis zu treffen, fallen uns diese Deletions-Mutationen jedoch immer häufiger auf“, sagt Stefan Fröhling, geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg und Leiter des DKTK MASTER-Programms.

„Ob BRAF-Deletions-Mutanten durch für BRAFV600E entwickelte Kinase-Inhibitoren wie Dabrafenib blockiert werden können, ist nach wie vor unklar. Strategien gegen diese Mutanten könnten neue zielgerichtete Behandlungsoptionen aufzeigen“, sagt Manuel Lauinger von der Universität Freiburg, Erstautor der aktuellen Arbeit, und ergänzt: „Tatsächlich deuten Fallberichte darauf hin, dass das Medikament Dabrafenib, ein Kinase-Inhibitor, der zur Behandlung von durch BRAFV600E-getriebenen Krebsarten entwickelt wurde, auch gegen Tumoren wirkt, die bestimmte Varianten der Deletions-Mutanten tragen.“

Ausgelöst durch die Entdeckung von zwei neuen Varianten der BRAF-Deletions-Mutante an den DKTK-Standorten Heidelberg und Tübingen, führte Manuel Lauinger einen detaillierten Vergleich der verschiedenen Deletions-Mutanten in Bezug auf ihre biochemischen und pharmakologischen Eigenschaften durch. Er fand heraus, dass sie sich überraschenderweise trotz ihrer sehr ähnlichen genetischen Veränderung in ihrer Empfindlichkeit gegenüber Dabrafenib deutlich unterscheiden. Darüber hinaus konnte Lauinger ein molekulares Detail identifizieren, das bestimmten Deletions-Mutanten Resistenz gegen Dabrafenib verleiht. Diese Erkenntnisse können neue Ansätze für die Entwicklung zukünftiger Arzneimittel für die Präzisionsonkologie liefern.

Während vor einer Behandlung mit Dabrafenib die genauen molekularen Details der jeweiligen BRAF-Deletions-Mutante beachtet werden müssen, gilt dies offenbar nicht für die so genannte dritte Generation an BRAF-Inhibitoren. Diese Wirkstoffe, die derzeit in klinischen Studien geprüft werden, erwiesen sich als wirksam gegen alle Mitglieder der Gruppe der BRAF-Deletions-Mutanten. Diese Untersuchungen wurde in Krebszelllinien sowie auch in Tumor-Organoiden („Mini-Tumoren“), die aus den Krebszellen individueller Patienten gezüchtet worden waren, durchgeführt.

* MASTER = Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research: Dieses Programm wurde ursprünglich am NCT Heidelberg und am NCT Dresden etabliert und stellt seit 2016 eine gemeinsame Aktivität aller DKTK-Standorte dar.
Originalveröffentlichung:
Lauinger, M., Christen, D., Klar, R.F.U., Roubaty, C., Heilig, C.E., Stumpe, M., Knox, J, Radulovich, N., Tamblyn, L., Xie, I., Horak, P., Forschner, A., Bitzer, M., Wittel, U.A., Boerries, M., Ball, C.R., Heining, C., Glimm, H., Fröhlich, M., Hübschmann, D., Gallinger, S., Fritsch, R., Fröhling, S., O’Kane, G., Dengjel, J. und T. Brummer (2023). BRAFΔβ3-αC in-frame deletion mutants differ in their dimerization propensity, HSP90 dependence and druggability.
Science Advances 2023, DOI: 10.1126/sciadv.ade7486

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW