Wie wird ein Darmkeim zum Krankheitserreger?



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01.04.2022 09:41

Wie wird ein Darmkeim zum Krankheitserreger?

Wissenschaftler suchen nach Zusammenhang zwischen Bakteriengenen und Krankheitsschwere

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das Bakterium Escherichia coli kommt unter anderem im Darm des Menschen vor. Dort ist es harmlos, aber unter bestimmten Umständen kann es auch zum Krankheitserreger werden. Es kann Blasenentzündungen oder auch Blutvergiftungen hervorrufen. Ein Team von Forschenden um den RESIST-Professor Marco Galardini am TWINCORE hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der medizinischen Fakultät der Universität Paris untersucht, ob bestimmte Gene des Bakteriums im Zusammenhang mit der Schwere der verursachten Erkrankungen stehen. Ihr Ergebnisse veröffentlichen sie nun in der Fachzeitschrift PLOS Genetics.

Escherichia coli, häufig als E. coli abgekürzt, ist Teil der menschlichen Darmflora. Als sogenannter Kommensale verursacht er dort normalerweise keinen Schaden. Im Darm und in anderen Organen kann er auch zum Pathogen, also Krankheitserreger werden. Im Urogenitaltrakt verursacht E. coli beispielsweise Blasenentzündungen und in der Blutbahn kann er eine Sepsis hervorrufen. Die Blutvergiftung ist eine gefürchtete Folge von bakteriellen Infektionen und kann in 10 bis 30 Prozent der Fälle sogar tödlich verlaufen. Wie schwer eine solche Infektion verläuft, ließ sich bisher nicht anhand der genetischen Ausstattung des Keims vorhersagen.

Forschende vom TWINCORE in Hannover haben nun analysiert, ob bestimmte genetische Varianten von E. coli im Zusammenhang mit einem schwereren Verlauf stehen. „ Wir haben eine sogenannte genomweite Assoziationsstudie durchgeführt“, sagt Marco Galardini, Leiter der RESIST-Forschergruppe Systembiologie Mikrobieller Gemeinschaften. „Dafür haben wir Bakterienproben aus zwei großen Patientenstudien sequenziert und mit dem Verlauf der Infektion korreliert.“ Außerdem wurden Charakteristika wie Alter, Geschlecht oder bekannte Vorerkrankungen mit in die Analyse einbezogen.

Gene, die die Schwere der Erkrankung bestimmen, konnte das Team von Galardini nicht identifizieren. Allerdings machten sie eine andere, interessante Entdeckung: „Eine bestimmte Genkassette stand in klarem Zusammenhang mit Infektionen, die im Harntrakt begonnen haben“, sagt Galardini. Hieraus lässt sich eine Strategie zur Vermeidung von lebensbedrohlichen Erkrankungen ableiten. „Man könnte zukünftig die Erreger bei einer Blasenentzündung sequenzieren und dann entscheiden, ob die medikamentöse Behandlung vorsichtshalber angepasst werden sollte“, sagt Galardini.

Dass die Forschenden keinen Zusammenhang zwischen dem Genom der Bakterien und dem Krankheitsverlauf nachweisen konnten, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es keinen gibt. „Es könnte genauso gut sein, dass die Zahl der von uns untersuchten Proben zu klein war“, sagt Galardini. „In einer Simulation zeigte sich, dass die zehnfache Anzahl von Proben nötig wäre, um die Verbindung mit höherer Sicherheit nachzuweisen oder auszuschließen.“

Deshalb bereitet Galardini mit seinen französischen Kooperationspartnern eine umfangreichere Nachfolgestudie vor. Einen entsprechenden Antrag für die dafür nötigen Fördermittel haben sie bereits gestellt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Marco Galardini
RESIST-Forschergruppe “Systembiologie Mikrobieller Gemeinschaften”
TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung
Tel.: +49 511 22002 7208
E-Mail: marco.galardini@twincore.de


Originalpublikation:

Genome wide association study of Escherichia coli bloodstream infection isolates identifies genetic determinants for the portal of entry but not fatal outcome.
Denamur E, Condamine B, Esposito-Farèse M, Royer G, Clermont O, Laouenan C, et al.
PLoS Genet 18(3): e1010112., 2022,
DOI https://doi.org/10.1371/journal.pgen.1010112


Weitere Informationen:

https://www.twincore.de/infothek/infothek-news-details/news/wie-wird-ein-darmkei… – Diese Pressemitteilung auf twincore.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW