02.10.2019 14:20
Besserer Grippeschutz durch Schleimhautwächter
HZI-Forscher entwickeln neuartige Impfstrategie, die zelluläre Immunantwort gegen das Influenzavirus hervorruft
Durch eine Grippeschutzimpfung bildet der Körper im Blut zirkulierende Antikörper, die allerdings gegen sich stetig verändernde Virusbestandteile gerichtet sind. Daher muss die Impfung jedes Jahr neu verabreicht werden. Forscher am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) haben nun gezeigt, dass der Antikörper-unabhängige zelluläre Arm des Immunsystems ebenfalls einen Immunschutz gegen Influenza vermitteln kann. Dafür integrierten die Wissenschaftler ein Influenza-Antigen in Zytomegalieviren (CMV) und lösten eine starke Reaktion der T-Lymphozyten aus. Die Besonderheit dabei: die Hybridviren locken, wenn sie über die Nase verabreicht werden, T-Zellen aus dem Blutkreislauf in die Schleimhäute der Atemwege. Diese Immunzellen werden bei Kontakt mit Influenzaviren schnell aktiviert und dienen als Wächter, die den Viren den häufigsten Eintrittsort in den Körper versperren. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift PLoS Pathogens veröffentlicht.
Durch die Grippeschutzimpfung mit abgetöteten Influenzaviren wird das Immunsystem angeregt, Antikörper gegen Oberflächenmerkmale des saisonal kursierenden Grippestamms herzustellen. Diese Oberflächenmerkmale sind hochvariabel, sodass jährliche Auffrischungen mit aktuellen Impfstoffen notwendig sind. Neben dem Antikörper-abhängigen Arm des Immunsystems ist auch der zelluläre Arm des Immunsystems in der Lage körperfremde Stoffe oder Erreger abzuwehren. Immunzellen aus der Gruppe der T-Lymphozyten, sogenannte zytotoxische T-Zellen, können Körperzellen, die von Bakterien oder Viren infiziert sind, erkennen und attackieren. „Kein anderes Virus löst solch eine starke Immunreaktion der T-Zellen aus wie das Zytomegalievirus (CMV)“, sagt Prof. Luka Čičin-Šain, Leiter der Forschungsgruppe „Immunalterung und Chronische Infektionen“ am HZI. „Diese Eigenschaft nutzen wir, indem CMV das Vehikel ist, um einen kleinen Proteinabschnitt des Influenzavirus in Wirtszellen einzuschleusen.“
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
In einem Mausmodell untersuchten die Forscher die Reaktion auf das so eingebrachte Influenza-Antigen und fanden eine starke Aktivierung der zytotoxischen T-Zellen durch die CMV-basierte Impfung. Die Darreichungsform der Impfung hat dabei einen Einfluss auf die Schutzwirkung. Obwohl über die Nase verabreichte Zytomegalieviren im Blut eine geringere T-Zell-Aktivierung auslösten als solche, die mit einer Spritze injiziert wurden, ergab sich bei der nasalen Impfung ein besserer Schutz vor einer Influenzainfektion. Der entscheidende Faktor dafür sind in der Schleimhaut ansässige, zytotoxische T-Zellen. Durch die Impfung verlassen die Immunzellen den Blutkreislauf und siedeln sich im Zielgewebe an. Dort können die Abwehrzellen über lange Zeit verbleiben. Bei Kontakt mit Influenzaviren produzieren sie Botenstoffe und locken weitere Immunzellen an den Ort der Infektion.
„Wir konnten zeigen, dass es eine wesentliche Rolle spielt, wo eine Immunantwort stattfindet. T-Zellen, die sich in den Schleimhäuten der Atemwege befinden, schützen besonders effektiv gegen Influenza, da dies der typische Infektionsweg ist. Sie kommen also sehr früh mit den Grippeviren in Kontakt und ‚bewachen‘ die Eintrittsorte“, sagt Prof. Dunja Bruder, deren Arbeitsgruppe „Immunregulation“ ebenfalls an der Studie beteiligt war.
In weiteren Experimenten konnten die Forscher nachweisen, dass die Immunität ausschließlich auf dem zellulären Arm des Immunsystems basiert. Eine Beteiligung von Antikörpern konnten sie ausschließen. Damit gelang in interdisziplinärer Zusammenarbeit von insgesamt vier Gruppen und Einrichtungen am HZI erstmals die Entwicklung einer T-Zell-basierten Grippeimpfung. „Wir müssen in der Infektionsforschung unseren Blick auf das gesamte System richten. Alle Gewebe – nicht nur das Blut – sind am Infektionsverlauf und dem Aufbau von Immunität beteiligt“, sagt Čičin-Šain. „Der Grippeimpfstoff der Zukunft könnte daher auf eine kombinierte Immunität durch im Blut zirkulierende Antikörper und T-Zellen, die die Schleimhäute ‚bewachen‘, abzielen.“
Diese Pressemitteilung und Bildmaterial sind online verfügbar unter : https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/bess…
Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. Das HZI ist Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). www.helmholtz-hzi.de
Originalpublikation:
Xiaoyan Zheng, Jennifer D. Oduro, Julia D. Boehme, Lisa Borkner, Thomas Ebensen, Ulrike Heise, Marcus Gereke, Marina C. Pils, Astrid Krmpotic, Carlos A. Guzmán, Dunja Bruder, Luka Čičin-Šain: Mucosal CD8+ T cell responses induced by an MCMV based vaccine vector confer protection against influenza challenge. PLoS Pathogens 2019. DOI: 10.1371/journal.ppat.1008036
Weitere Informationen:
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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