Fortschritt für Neurowissenschaft: Kommunikation von Neuronen mit ultradünnem faserbasierten Endomikroskop verstehen



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20.06.2023 08:46

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Fortschritt für Neurowissenschaft: Kommunikation von Neuronen mit ultradünnem faserbasierten Endomikroskop verstehen

Um die Aktivität neuronaler Strukturen sowie das Zusammenspiel von Nervenzellen zu untersuchen, sind minimalinvasive Technologien gefragt, die Bilder aus dem empfindlichen Gehirngewebe liefern. Ein neues haarfeines Endomikroskop, das von einem internationalen Team unter Beteiligung des Leibniz-IPHT entwickelt wurde, verspricht äußerst schonende Tiefenbeobachtungen. Es bietet das Potential, Gehirnareale detailliert zu untersuchen sowie die Entstehung und den Verlauf schwerer neuronaler Erkrankungen zu studieren. Auf diese Weise ließen sich neue Strategien zur Bekämpfung dieser unheilbaren Erkrankungen entwickeln. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden in Nature Communications.

Neuronale Erkrankungen wie Autismus, Epilepsie, Alzheimer oder Parkinson sind noch immer nur unzureichend erforscht. Daher bleibt die Prävention, Behandlung oder Linderung dieser Krankheiten eine große Herausforderung. Um die Ursachen und die Entstehung dieser Krankheiten besser zu verstehen sowie passgenaue Therapien zu entwickeln und zu kontrollieren, ist es wichtig, zu entschlüsseln und zu untersuchen, wie sich die betroffenen Nervenzellen, die sich häufig in sehr tiefen Strukturen des Gehirns befinden, innerhalb der natürlichen Komplexität des gesamten Organismus verhalten.
 
Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erforschen diese Erkrankungen an kleinen Tiermodellen und nutzen dabei minimal-invasive Endoskopie-Techniken, um Strukturen in der Tiefe des Gehirns zu untersuchen. Forschende des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena arbeiten hierzu gemeinsam mit dem Team Complex Photonics des Institute of Scientific Instruments der Czech Academy of Sciences in Brno, Tschechien, an einem neuartigen faserbasierten Ansatz.
 
Haarfeines und miniaturisiertes Endoskop
 
Mit nur 110 Mikrometern Durchmesser ist das entwickelte Endoskop in etwa so dünn wie ein menschliches Haar und ermöglicht die Aufnahme von Bildern in einer noch nie dagewesenen Gewebetiefe sowie auf subzellulärer Ebene. Damit ließen sich nicht nur tiefliegende und bisher schwer zugängliche Gehirnstrukturen erforschen, sondern auch die neuronale Konnektivität und Signalaktivität einzelner Neuronen im Gehirn präzise studieren.
 
„Herzstück des endoskopischen Systems ist eine ultradünne optische Glasfaser, die als Sonde dient. Mithilfe der digitalen Holographie können wir mit dieser einzelne Zellen und Blutgefäße hochauflösend, verzerrungsfrei und kontrastreich abbilden und sichtbar machen. Das haarfeine Endoskopie-Design ermöglicht eine äußerst atraumatische In-vivo-Untersuchung, ohne dabei umliegendes Gewebe zu schädigen“, erklärt Prof. Dr. Tomáš Čižmár, Leiter der Forschungsabteilung Faserforschung und -technologie am Leibniz-IPHT, der die Entwicklung des Instruments leitete.



Ultraschlanke und minimalinvasive Sonde
 
Herkömmliche endoskopische Lösungen, die in der neurowissenschaftlichen In-vivo-Forschung eingesetzt werden, verwenden in der Regel spezielle Stablinsen (GRIN), die Bilder von einem Ende zum anderen übertragen. Aufgrund ihrer Größe können diese ein hohes Risiko für Gewebeschäden bergen und die Aussagekraft neurowissenschaftlicher Studien erheblich beeinträchtigen. Das neu entwickelte holografische Endoskop überwindet diesen Nachteil, indem es eine einzelne optische Multimode-Faser als Bildgebungssonde verwendet, was es zur am wenigsten invasiven Methode zur Visualisierung sensibler Gehirnbereiche macht.
 
Tiefe Einblicke in die Steuerzentrale
 
Darüber hinaus nutzten die Forschenden eine neuartige Fasersonde, eine sogenannte Side-View-Sonde, mit der das Gewebe senkrecht zur Faserachse beobachtet werden kann. Auf diese Weise wird das zu untersuchende Gewebe durch das Einführen des Endoskops in das Gewebe weniger belastet und geschädigt als bei der Verwendung herkömmlicher Sonden mit bloßem und gerade geschliffenem Ende. Da die Sonde das Potenzial bietet, tiefer in das Gewebe eindringen zu können, bietet die Side-View-Sonde die Möglichkeit, einzelne Bilder, die auf dem Weg aufgenommen werden, zu einem Panorama-Bild zusammenzufügen, was einen kontinuierlichen Blick in die gesamte Tiefe des Gehirns ermöglicht.
 
Zugang zu den Eckpfeilern der In-vivo-Neurowissenschaft
 
Neben der direkten Beobachtung der strukturellen Konnektivität zwischen Nervenzellen, insbesondere der dendritischen Dornen (mikroskopische Strukturen, die aus Dendriten hervorgehen), können mit den entwickelten endoskopischen Lösungen auch intrazelluläre Prozesse beobachtet werden. Die Dynamiken subzellulärer Strukturen, Veränderungen der intrazellulären Kalziumkonzentration (die eng mit der Signalaktivität der Nervenzellen verbunden ist) und die Geschwindigkeit des Blutflusses in einzelnen Gefäßen können untersucht werden. All diese Parameter könnten Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern Indizien auf pathologische Veränderungen des Gehirns liefern. „Bei neuronalen Erkrankungen kann die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des betroffenen Organismus durch Veränderungen oder den Verlust von Nervenzellen irreversibel eingeschränkt sein. Wir entwickeln Technologien, um Anzeichen einer Erkrankung, zum Beispiel durch eine veränderte Neuronen-Kommunikation, frühzeitig erkennen zu können. Mit neuen und leistungsstarken lichtbasierten Instrumenten können wir dazu beitragen, bisher nicht dagewesene Einblicke in die Steuerzentrale lebenswichtiger Funktionen mit hoher Bildqualität zu eröffnen und damit das Verständnis neuronaler Erkrankungen zu erweitern“, so Prof. Dr. Tomáš Čižmár.
 
Die Arbeiten am Leibniz-IPHT wurden durch den renommierten Consolidator Grant LIFEGATE (Holographic super-resolution micro-endoscopy for in-vivo applications) des Europäischen Forschungsrates (ERC) gefördert.

Über das Leibniz-Institut für Photonische Technologien
 
Im Mittelpunkt der Forschung am Leibniz-IPHT steht das Licht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen innovative photonische Verfahren und Werkzeuge für die Anwendung in der klinischen Diagnostik, etwa der Infektions- und Krebsdiagnostik, der Pharmazie und Prozesskontrolle sowie in der Lebensmittel- und Umweltsicherheit. Ein wesentliches Ziel ist es, die Translation zu beschleunigen: die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis — from Ideas to Instruments.
https://www.leibniz-ipht.de/


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Tomáš Čižmár

Leiter der Forschungsabteilung Faserforschung und -technologie 
am Leibniz-IPHT
Telefon: +49 (0) 3641 · 206-200

E-Mail: tomas.cizmar@leibniz-ipht.de


Originalpublikation:

M. Stibůrek, P. Ondráčková, T. Tučková, S. Turtaev, M. Šiler, T. Pikálek, P. Jákl, A. Gomes, J. Krejčí, P. Kolbábková, H. Uhlířová & T. Čižmár, 110 μm thin endo-microscope for deep-brain in vivo observations of neuronal connectivity, activity and blood flow dynamics, Nature Communications 14, 1897 (2023), https://doi.org/10.1038/s41467-023-36889-z


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW