Primäres Bewusstsein bei Mikroben entdeckt

Prokaryoten umfassen die Bakterien und Archaeen, also die einfachsten und frühesten Lebewesen, die wir kennen. Es sind Mikroben ohne Zellkern, die aber ein Chromosom besitzen, mit dessen Hilfe sie sich fortpflanzen. Im Rahmen der Bewusstseinsforschung stellt sich die Frage, ab welcher Stufe der Evolution sich ein rudimentäres Bewusstsein zeigt. Durch raffinierte Tests hat man vor einigen Jahren herausgefunden, dass Schimpansen, Elefanten oder Raben Bewusstsein zeigen. Nun kann man aber auch primäres Bewusstsein bei Prokaryoten nachweisen.

Primäres Bewusstsein ist eine einfache Bewusstseinsform, die etwa mit den Funktionen eines Unterbewusstseins vergleichbar ist. Es beinhaltet nicht das Selbst- oder Ich-Bewusstsein, das wir von uns Menschen kennen. Bewusstsein ist ein informationsverarbeitender Prozess und dient einem Lebewesen dazu, sich auf neue Anforderungen oder geänderte äußere Umstände einzustellen. Wenn das Lebewesen zwischen möglichen Handlungsalternativen auf nicht determinierte Weise entscheidet und die Entscheidung zur Befriedigung seiner Bedürfnisse dient, dann kann man zumindest von primärem Bewusstsein ausgehen (zur Definition von Bewusstsein siehe: Klaus-Dieter Sedlacek, „Der Widerhall des Urknalls“, Norderstedt 2012, S. 148). Andererseits kann man nicht von primärem Bewusstsein ausgehen, wenn Handlungen ausschließlich eine automatische Reaktion auf Umweltreize sind und keinerlei Entscheidungen zwischen Alternativen erkennen lassen.

Prokaryoten haben Geißeln, um sich schwimmend fortbewegen zu können. Die Beweglichkeit kann ihnen nur nützen, wenn sie erkennen, wohin sie schwimmen sollen. Aus ihrer Orientierungsreaktion (Taxis), das heißt, ihrer Ausrichtung nach einem Reiz oder einem Umweltfaktor lassen sich Rückschlüsse auf jenen informationsverarbeitenden Prozess ziehen, der eine Voraussetzung für Bewusstsein ist. Man unterscheidet zum Reiz gerichtete Reaktionen und vom Reiz weggerichtete Meide- oder Schreckreaktionen (negative Taxis).

Bei einer Chemotaxis erfolgt beispielsweise die Ausrichtung nach der Konzentration eines Stoffes. Aerotaxis ist die Orientierung zum Sauerstoff. Es handelt sich um eine besondere Form von Chemotaxis oder Energietaxis. Phototaxis ist die Orientierung an der Helligkeit und Farbe des Lichts und Galvanotaxis die Orientierung an elektrischen Feldern um nur ein paar Taxisarten zu nennen. Im Internet findet sich ein kleines Video über das Pantoffeltierchen (Paramecium), wie es sich an einem elektrischen Feld ausrichtet (https://youtu.be/-U9G0Xhp3Iw).

Viele Bakterien können gleichzeitig die Konzentration von Futtersubstanzen, Sauerstoff oder Licht erkennen und sich danach ausrichten. Solange sie z.B. keine Futtersubstanz erkennen, schwimmen sie eine Zeit lang in eine zufällige Richtung und wechseln anschließend die Richtung, um wieder eine Zeit lang in eine andere Richtung weiterzuschwimmen. Bei geringer werdender Konzentration wechseln sie häufig die Richtung, bei zunehmender Konzentration schwimmen sie dagegen zielgerichteter zum Ort der höheren Konzentration. Sie zeigen ein gleiches Verhalten in Bezug auf die Sauerstoffkonzentration und auf Licht (vgl. Cypionka, „Grundlagen der Mikrobiologie“, 3. Aufl., Springer 2006, S. 33f.)

Aus dem Verhalten kann man ableiten, dass die Bakterien zeitlich auflösen können, ob die Konzentration geringer oder stärker wird. Sie können also Änderungen in den Umweltbedingungen feststellen, indem sie einen vorherigen Zustand auf irgendeine Weise speichern. Schon allein dadurch erkennt man das Vorhandensein eines informationsverarbeitenden Prozesses. Die Mikroben zeigen zudem ein Bedürfnis (= Neigung ein Ziel zu verfolgen), zum Ort der höheren Futter- oder Sauerstoffkonzentration zu schwimmen.

Es kann aber auch vorkommen, dass zwei unterschiedliche Bedürfnisse nicht miteinander vereinbar sind. Beispielsweise kann die höhere Sauerstoffkonzentration entgegengesetzt vom Ort der höheren Futterkonzentration liegen. Zwischen den beiden Orten, an denen je ein anderes Bedürfnis befriedigt wird, gibt es eine Stelle, an der die Bewertung, welcher Reiz stärker ist, gleich ausfällt. Der Mikrobe muss sich entscheiden, welchem Reiz sie nachgeht, d.h., zu welchem Ort sie schwimmen soll. Die Entscheidung kann nicht determiniert fallen, weil vorausgesetzt wird, dass die Stärke der Reize von der Mikrobe gleich bewertet wird. Wir haben es in diesem Fall mit einer nicht determinierte Entscheidung zwischen Handlungsalternativen zu tun. Es ist die Entscheidung in die eine oder in die andere Richtung zur Befriedigung eines Bedürfnisses zu schwimmen.

Zusammenfassend gilt: Im Verhalten der Mikroben kann man einen informationsverarbeitenden Prozess erkennen, der bei Änderungen der Konzentration verschiedener Stoffe, also der Umweltbedingungen, eine nicht determinierte Entscheidung zwischen Handlungsalternativen trifft, die zum zielgerichteten Verhalten zur Befriedigung von Bedürfnissen führt. Das bedeutet: Mikroben zeigen primäres Bewusstsein. – Klaus-Dieter Sedlacek

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