Partners in crime: Wie die Kommunikation im Tumor-Mikromilieu die Tumorentwicklung beeinflusst



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06.07.2023 09:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Partners in crime: Wie die Kommunikation im Tumor-Mikromilieu die Tumorentwicklung beeinflusst

Damit solide Tumore effizient wachsen können, benötigen sie in der Regel Unterstützung durch nicht entartete, körpereigene Zellen in ihrer Umgebung. Durch die Kommunikation dieser Zellen untereinander entstehen im Umfeld des Tumors wachstumsfördernde Netzwerke. Forschende der Goethe-Universität Frankfurt haben mit Unterstützung der Wilhelm Sander-Stiftung solche Netzwerke untersucht. Dabei haben sie zum einen festgestellt, dass diese Netzwerke sehr widerstandsfähig gegenüber Interventionen sind. Doch gelang es den Forschenden auch, mögliche Schwachstellen zu identifizieren.

Tumore bestehen sowohl aus den eigentlichen entarteten, bösartigen Krebszellen als auch aus gesunden, nicht entarteten Zellen in der unmittelbaren Umgebung. Hierzu zählen unter anderem körpereigene Fresszellen des Immunsystems, sogenannte Makrophagen, sowie Bindegewebszellen wie zum Beispiel Fibroblasten. Sowohl Makrophagen als auch Fibroblasten sind normalerweise daran beteiligt, Gewebe in ihrem gesunden Ursprungszustand zu bewahren und die Struktur der Gewebe nach kleineren oder größeren Schädigungen wiederherzustellen. Diese Eigenschaften spielen auch bei der Verteidigung gegenüber der Vermehrung und Ausbreitung von Krebszellen eine wichtige Rolle.

Allerdings haben Krebszellen Strategien entwickelt, sowohl Makrophagen als auch Fibroblasten in tumorfördernde Zellen umzuprogrammieren. Daraufhin verändern die modifizierten Fibroblasten die umliegende Gewebestruktur, was das Überleben der Krebszellen fördert und ihre Ausbreitung im Körper ermöglicht. Wenn sich zum Beispiel Metastasen in der Lunge bilden, so werden zunächst die Fibroblasten in der Lunge aktiviert. Makrophagen sondern Wachstums- und Überlebensfaktoren ab, welche die Tumoren beispielweise nutzen, um sich besser mit Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen.

Lange wurde in der Krebsforschung vermutet, dass das Ausschalten einzelner, nicht entarteter Zelltypen ausreichen könnte, therapeutische Erfolge zu erzielen. Trotz der vielversprechenden Ergebnisse in der Forschung waren solche Strategien in der Therapie von Patient:innen bisher allerdings wenig erfolgreich.

Ein Forschungsteam um die Professoren Andreas Weigert und Bernhard Brüne von der Goethe-Universität hat nun mögliche Gründe hierfür identifiziert. Die Forscher:innen nutzten für ihre Analysen genetisch veränderte Mäuse, die spontan Tumore im Brustgewebe entwickeln. Durch weitere genetische Veränderungen wurde ein von den Makrophagen produziertes und in die Umgebung freigesetztes fettähnliches Molekül, das Hormon Prostaglandin E2, in den Brusttumoren dieser Mäuse ausgeschaltet. Prostaglandin E2 wurden bisher vor allem – basierend auf Zellkulturexperimenten – tumorfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Erwartungsgemäß hemmte das Ausschalten von Prostaglandin E2- auch das Wachstum der Brusttumore in den Mäusen. Zur Überraschung des Forschungsteams zeigten Gewebeanalysen jedoch, dass sich gleichzeitig sowohl die Fibroblasten stark teilten und aktiviert wurden und die Mäuse vermehrt Metastasen in der Lunge bildeten.

In weiterführenden Untersuchungen wurde das Transkriptom der Fibroblasten analysiert, das heißt alle zu diesem Zeitpunkt aus dem Genom abgelesenen Gene. Die Forschenden konnten zeigen, dass Prostaglandin E2 die Fibroblasten in Brusttumoren durch einen bisher unbekannten Signalweg in einem inaktiven Zustand hält, was somit erklärt, warum der Wegfall des Moleküls in den Mäusen zu verstärkter Metastasierung führte. Der Prozess verläuft beim Menschen offenbar ähnlich: Fibroblasten, die auf ähnliche Weise aktiviert waren, fanden sich auch in den Brusttumoren mancher Patientinnen, und diese Patientinnen hatte eine verringerte Überlebenswahrscheinlichkeit.

Bei ihren histologischen Untersuchungen in Brusttumoren stießen die Forschenden auch auf eine Subgruppe von Makrophagen, die, ähnlich wie Fibroblasten, Bestandteile der extrazellulären Matrix (das Bindegewebe zwischen den Zellen) – vor allem Kollagene – herstellen. Solche als Fibrozyten bezeichneten Makrophagen waren bereits aus fibrotischen Erkrankungen (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes) der Lunge bekannt, jedoch war ihre Rolle im Tumor unklar.

Zusammen mit Prof. Rajkumar Savai vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim untersuchten die Frankfurter Forschenden daher die Rolle der Fibrozyten in Lungentumoren, indem sie diese gezielt im Verlauf des Tumorwachstums ausschalteten. Sie konnten mittels Einzelzellsequenzierung unter anderem nachweisen, dass es sich bei diesen Zellen um eine Schlüsselpopulation handelt, die sowohl das Wachstum der Tumorzellen als auch deren Versorgung mit Blutgefäßen und die tumorfördernde Aktivierung anderer Makrophagen-Subtypen koordiniert.

„Die Ergebnisse unserer Studien verdeutlichen, dass es im Mikromilieu des Tumors viele Zelltypen gibt, die auf ähnliche Weise das Überleben, das Wachstum und die Ausbreitung des Tumors fördern. Der Tumor nutzt zentrale, molekulare Knotenpunkte, über die er gleichzeitig verschiedene körpereigene Zellen zu tumorfördernden Akteuren umprogrammiert. Wenn wir Krebs wirksam bekämpfen wollen, sollten wir die Entdeckung und therapeutische Nutzung solcher Knotenpunkte vorantreiben“, fasst Weigert die Studienergebnisse zusammen, die in den renommierten Fachzeitschriften Cancer Research und Nature Communications veröffentlicht wurden. Die Identifikation solcher Knotenpunkte wird ein zukünftiger Schwerpunkt der Forschung in den beteiligten Laboren sein.

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* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.

Wilhelm Sander-Stiftung: Partnerin innovativer Krebsforschung

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit knapp 124.000 Euro über 24 Monate unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 270 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

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Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
Tel.: +49 (0) 89 544187-0
E-Mail: adam@sanst.de

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Die forschungsstarke und international ausgerichtete Goethe-Universität ist Mitglied der „German U15 “, dem Zusammenschluss der 15 forschungsstärksten medizinführenden Universitäten Deutschlands, und eine der größten Arbeitgeberinnen in der Metropole Frankfurt am Main. Zusammen mit der TU Darmstadt und der Universität Mainz bildet die Goethe-Universität die bundesländerübergreifende strategischen Allianz Rhein-Main-Universitäten (RMU). 1914 als Stiftungsuniversität mit Mitteln der Frankfurter Bürgerschaft gegründet, genießt sie ein hohes Maß an Autonomie, eingebettet in ein hoch partizipatives und förderndes Umfeld.
Die wissenschaftliche Stärke der Goethe-Universität in den sechs profilgebenden Forschungsbereichen begründet sich auf ihre interdisziplinär fokussierten Ansätze in den Geistes-, Sozial-, Wirtschafts-, Natur- und Lebenswissenschaften und der Medizin. Durch ihre Lehre, Forschung, den Transfer von Technologie und Wissen in der Interaktion mit der Gesellschaft trägt die Goethe-Universität gemeinsam mit regionalen, nationalen und internationalen Partnerinnen und Partnern zur Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bei und wirkt als Impulsgeberin für eine fortschrittliche Entwicklung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Sie qualifiziert ihre Studierenden in einem ganzheitlich konzipierten, forschungsorientierten Bildungsprozess zu verantwortungsbewussten, weltoffenen Bürgerinnen und Bürgern und präsentiert sich als moderne Arbeitgeberin.

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Fachbereich Medizin
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E-Mail: weigert@biochem.uni-frankfurt.de


Originalpublikation:

1) https://doi.org/10.1002/ctm2.239
2) https://doi.org/10.1158/0008-5472.can-21-2116
3) https://doi.org/10.1038/s41467-022-33458-8


Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
https://www.linkedin.com/company/wilhelm-sander-stiftung/
http://www.goethe-universitaet.de
http://Twitter: @goethe-uni @SanderStiftung


Bilder

Der Gewebeschnitt eines Lungentumors zeigt verschiedene Zellen des Tumormikromilieus: Makrophagen (rot), Kollagen produzierende Makrophagen oder Fibrozyten (gelb), Fibroblasten (grün).

Der Gewebeschnitt eines Lungentumors zeigt verschiedene Zellen des Tumormikromilieus: Makrophagen (r

© Institut für Biochemie I, Fachbereich Medizin, Goethe-Universität Frankfurt


Anhang

attachment icon 06.07.23 Pressemitteilung Wilhelm Sander-Stiftung_Partners in crime_Wie die Kommunikation im Tumor-Mikromilieu die Tumorentwicklung beeinflusst


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


 

Quelle: IDW